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  • anika

Eine Weihnachtsgeschichte


Basierend auf einer wahren Begebenheit

Piep. Piep. Piep. Nur unterschwellig nahm er das Geschehen um ihn herum war, dumpf drang der Ton in sein Ohr. Wie benommen stand er in einer Ecke des Raums und beobachtete wie Menschen in weißen und blauen Kitteln, mit Mundschutz und Silikonhandschuhen hektisch im Raum herum eilten. Für einen Außenstehenden ein einziges Chaos, für die Ärzte und Krankenschwestern ein oft geübtes System – Hoffentlich.

Der Bildschirm neben dem Krankenbett zeichnete in Form von bunten unterschiedlichen Linien Herzschlag und Puls auf. Die Linien schlugen beunruhigend unregelmäßig aus. Der Monitor blinkte rot und gab laute, schrille Töne von sich.


Er hatte das Gefühl zu ersticken. Nicht an der schlechten Luft, die hier herrschte, sondern an der Angst und der Ungewissheit, die den Raum bis an die Decke hin füllte. Es war als würde jemand versuchen ihm die Luft abzuschnüren. Als würde ihm jemand das Atmen verbieten.

Eine junge Frau kam mit besorgtem Gesicht auf ihn zu: „Wir müssen Sie nun bitten, den Raum zu verlassen, Herr Klink.“, sagte diese mit unruhiger Stimme, „gehen Sie nach Hause zu ihrem Sohn, er braucht Sie jetzt!“

Er warf einen letzten Blick auf das Krankenbett. Wie sie dort lag, wirkte sie so zerbrechlich, so schwach. Ihre haut war weiß wie Schnee und ihre dunklen Haare ließen ihren Teint noch heller wirken. Eine große Wunde klaffte auf ihrer Brust, aus ihr lief Blut, immer weiter und immer weiter. Während er sie so sah, vernahm er ein Stechen in seiner Brust. Tief und schmerzhaft.


Er wollte schreien, er wollte weinen. Er wollte sich dagegen währen, bei ihr bleiben. Er wollte ihre Hand halten, mit ihr leiden. Er wollte ihr noch ein letztes Mal einen Kuss geben und ihr sagen, wie sehr er sie liebte. Doch er reagierte nicht. Er war wie in Trance – unter Schock.

Taumelnd verließ er, in Begleitung der Krankenschwester, den Raum. Hier verschwamm die Erinnerung. Mehr wusste er nicht.


***


Als am nächsten Morgen, eine zarte kleine Stimme, neben seinem Bett ertönte und ihm aus dem Schlaf holte, konnte er sich nicht mehr daran erinnern, wie er am letzten Abend nach Hause gekommen war oder was weiter passiert ist. Sein Kopf war leer, nicht mehr als schwarze Leere. Nur eine Sache, eine einzige Sache, wusste er. Sie war tot. Nicht mehr da. Die Liebe seines Lebens, die Mutter seines Kindes, einfach weg. Für immer.


Und dieses Kind stand nun vor ihm. Der Junge hatte bereits seine Winterstiefel, Mütze, Schaal und seinen dicken Mantel an.

„Wo ist Mama?“, fragte er mit einem Strahlen im Gesicht, welches dem Vater das Herz schwer werden ließ, „wir wollten heute doch einen Weihnachtsbaum kaufen“

Sein Hals war trocken, er wollte etwas sagen, doch bei dem Versuch etwas zu erwidern, kam nicht mehr als ein trockener Hauch aus seinem Mund. Langsam setzte er sich auf und holte den kleinen Jungen zu sich ins Bett.

„Komm mal her“, sagte er mit zittriger Stimme. Und zog ihn ein Stückchen näher an sich heran.

Wie sollte er seinem fünfjährigen Sohn erklären, dass seine Mutter am Tag zuvor bei einem Autounfall gestorben war, dass er eine Kindheit ohne Mutter haben wird. Er würde es höchstwahrscheinlich nicht verstehen und wenn doch, dann würde es ihn unfassbar traurig machen und Weihnachten verderben.

Langsam setzte er an: „Also… weißt du“, er zögerte, „deiner Mama ging es in den letzten Tagen, hier bei uns auf der Erde, nicht so gut, sie ist jetzt an einem besseren Ort.“

„Aber ohne Mama fällt doch Weihnachten aus“, aufgebracht verschränkte der Junge seine Arme vor der Brust.


Der Mann beobachtete wie eine große dicke Träne über seine Backe rollte. Er hatte nicht verstanden, dass seine Mutter nie wiederkommen würde. Alles was für ihn zählte war das Weihnachtsfest. Die Aussage seines Sohnes verursachte einen schmerzhaften Stich in dem Herzen des Vaters, doch er verstand, dass Weihnachten – wie für jedes kleine Kind – nach seinem Geburtstag der schönste Tag im Jahr für ihn war.


„Wer kauft dann einen Baum mit mir und wer schmückt den Garten?“

„Luis?“, setzte sein Vater an.

„Was?“, erwiderte der Junge in einem motzigem Ton.

„Weißt du was?“

„Was?“, erneut.

„Wir laufen jetzt in den kleinen Wald hinter unserem Haus und suchen uns den schönsten, höchsten und größten Baum von allen aus, okay?“

Luis wischte sich mit dem Schaal seine Träne weg, schaute zu seinem Dad auf und lächelte. Schon sprang er auf und lief runter zur Haustür. Das war wohl ein ja gewesen. j


Als er die Tür öffnete, kam ihn ein eiskalter Wind entgegen, der kleine weiße Flöckchen durch Luft wirbelte. Bereits seit Tagen schneite es nun schon und bereitete dem Jungen große Freude.

Luis stapfte fröstelnd hinaus in den Schnee und zog sich die Mütze noch ein Stück weiter ins Gesicht.

„Komm Papa!“, rief er in Richtung Haustür und tippelte ungeduldig durch die Gegend.

Jedes Jahr ging er zusammen mit seiner Mutter zum selben Verkäufer, eines kleines Standes, auf dem Marktplatz und kaufte einen Weihnachtsbaum. Normalerweise konnte sein Vater nie mitkommen, da er arbeiten musste.

Als Abteilungsleiter einer großen IT-Firma war er generell kaum Zuhause. Für den fünfjährigen Luis, war es vermutlich jedes Jahr das größte Weihnachtsgeschenk, allein dass sein Vater Zuhause sein konnte.


Dieser kam gerade aus dem Haus, die Gedanken an seine Frau, die Bilder wie sie gestern so zerbrechlich und hilflos in ihrem Krankenbett das Leben verlor, die Worte der Ärzte: „Wir können leider nichts mehr für sie tun“, das alles versuchte er zu verdrängen.

Sein Sohn durfte nicht merken, dass er verletzlich war. Er durfte nicht merken, dass sie für immer weg war. Weihnachten durfte für ihn nicht ausfallen oder verdorben werden. Er sollte nicht sein ganzes Leben lang Weihnachten – das Fest der Liebe – mit dem Tod seiner Mutter verbinden.

Er setzte ein gequältes Lachen auf und schloss die Tür hinter sich, sein Sohn würde sein Leiden wohl kaum merken, zum Glück war er noch so jung.


***


„Papa, Papa“, rief er und zeigte auf eine Blautanne. Er hatte das mit dem höchsten Baum sehr wörtlich genommen, denn die Tanne, vor der er stand, war riesen groß. Zu groß.

„Wie soll der denn in unser Wohnzimmer passen, kleiner Mann?“, murmelte sein Vater und legte dabei einen Arm auf die Schulter, des Jungen. Er wollte seinen Sohn nicht enttäuschen, nicht heute, nicht einen Tag vor Weihnachten.

Noch in diesem Moment, verschränkte dieser allerdings die Arme und wieder traten ihm die Tränen in die Augen.

„Na gut, aber du musst mir helfen, den nach Hause zu bringen, dein Papa ist zu schwach, allein.“

Luis nickte heftig mit dem Kopf und strahlte.

Wie leicht es doch war, ein Kinderherz glücklich zu machen. Luis war normalerweise kein anspruchsvolles Kind, nur was Weihnachten betrifft, musste alles perfekt sein. Und wenn er sagt, dass er den Baum will, dann musste es auch genau dieser sein.

Gemeinsam hackten sie die Tanne. Dabei kamen eigene Kindheitserinnerungen in dem Vater hoch, er selbst hat jedes Jahr gemeinsam mit seinem Vater einen Baum in ihrem eigenen Wäldchen ausgesucht, gehackt und anschließend geschmückt. Immer am dreiundzwanzigstem, einen Tag vor der großen Bescherung. Ein kleines verlorenes Lächeln machte sich, bei dieser Erinnerung, auf seinen Lippen breit.

Er sah seinen Sohn, wie er lachend durch den Schnee tollte. Das Lachen hatte er von seiner Mutter, es war laut, ehrlich und wunderschön. Wie eine Katze sprang er den Flocken hinterher und warf sich immer wieder in den Schnee. Er war so glücklich, so frei. Frei von jedem Gedanken, von Ängsten und Sorgen. Er dachte nicht darüber nach, wer ihn in diesem Moment so sehen konnte. Er dachte über nichts nach. Auch nicht über seine Mutter.

Christoph Klinke, der Vater des Sohnes, tat dieser Gedanke weh, doch er nahm sich fest vor, es ihm nicht vor heilig Abend zu erklären. Ihm nicht zu sagen, dass sie nicht wiederkommen würde.


***


Gemeinsam saßen sie am nächsten Abend im Garten unter dem Baum auf zwei Campingstühlen. Der ganze Garten, war voller leuchtenden und blinkenden Lichterketten und bunten Figuren. Blaue, rote, weiße, grüne und lila Lichter funkelten überall. Es blendete fast ein wenig, wenn man einen Blick in Richtung Hecke warf.

Ein großer aufgeblasener Weihnachtsmann nahm fast den halben Garten ein und der festlich geschmückte Weihnachtsbaum, die andere Hälfte.

Christoph hatte bis tief in die Nacht damit verbracht, jede einzelne Lichterkette im Keller und am Dachboden zusammen zu suchen und alles zu schmücken.


Jeder der mit dem Auto an dem kleinen Vorgarten vorbei fuhr oder daran vorbeilief, schüttelten den Kopf. „Was für verrückte, da wohl wohnen“, fragten sich die Leute.

Doch das war ihm egal, alles was zählte waren die glücklichen Kinderaugen seines Sohnes, der voller Freude die Geschenke öffnete, die seine Mutter bereits vor dem Unfall gekauft, verpackt und versteckt hatte.


Allein saß er daneben. Sie fehlte ihm. Es war wie ein Loch in seinem Herzen, ein Loch das niemand mehr füllen konnte. Nie wieder. Er schaute in den Himmel, eigentlich war er nicht gläubig, doch in diesem Moment, schaute er in den Himmel auf um sie zu sehen. Er schaute in die schwarze Nacht, der Himmel war klar und er konnte die Sterne sehen, wie sie am Himmel funkelten. Einer schien ganz besonders hell, er war sich nicht sicher, ob er sich das nur einbildete oder ob es Tatsache heller als alle andere leuchtete.

Er schaute erst zu Luis, der wieder dieses wunderschöne Lachen in seinem Gesicht hatte, und dann hinauf zu dem hellen Stern und murmelte dann, kaum hörbar „Frohe Weihnachten“


In diesem Moment fingen an Tränen über seine Wange zu laufen. Vor Trauer, vor Glück, er wusste es nicht. Das Gefühl in ihm war ihm vollkommen fremd. Es beängstigte ihn und gleichzeitig war es eine Erleichterung, seine Gefühle zu zulassen.

Luis kam auf ihn zu, er hielt ihm ein selbst gemaltes Bild hin, auf dem drei Menschen und ein Baum zu erkennen waren. Vater, Mutter und Kind. Christoph, Anna und Luis.

„Du musst nicht weinen Papa, ich weiß, du weinst weil Mama nicht da ist, aber Morgen gehen wir sie besuchen“, sagte dieser, legte das Bild seinem Vater in die Hand und gab ihm einen Kuss.


Diese Geschichte ist keine der typischen Weihnachtsgeschichten, die man sonst um diese Zeit herum liest, sie ist sehr traurig und leider gibt es einem Mann, dem das in ähnlicher Form wirklich passiert ist. Dennoch finde ich, dieser Text hat eine schöne Botschaft, denn an Weihnachten geht es weder um Essen noch um Geschenke, sondern viel mehr darum, sich daran zu erfreuen, was man bereits hat und das ist die Familie und die Freunde. Die Menschen, die immer hinter einen stehen und einen so lieben wie man ist. Weihnachten ist meiner Meinung nach, die Zeit, in der man Dankbarkeit für solche Menschen zeigen sollte! Und mit diesen Worten verabschiede ich mich und wünsche euch ein wunderschönes Fest gemeinsam mit euren Liebsten und ruhige Feiertage.

Frohe Weihnachten!

Eure Anika 

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